In der Welt des Kaugummis

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Location(s): Bernburg

Themen zu diesem Artikel: Reportagen

Kaugummis im Glas. (Foto: René Krauß)
Kaugummis im Glas.

Sie sind rund und kunterbunt. Vielleicht auch nicht immer ganz rund (Es sind ja keine Kugellagerkugeln!), aber definitiv so beschaffen, dass sie gern einmal davon rollen, sollten sie nicht vorher den Weg zum Mund finden.
Kunterbunt...was kann man dazu sagen? Auf alle Fälle „JA!“, obwohl sie ja angeblich nicht mehr soooo schön bunt sein sollen… Warum? Weil wir armen Kinder von den chemischen Farben Allergien entwickeln könnten, und deshalb natürliche Farben á la Rote Beete und Blattgrün der neuste Trend sind. (Sehr zum Ärger unserer sehr netten und redseligen Führerin in der Fabrik. An dieser Stelle noch einmal ein Dankeschön nach Bernburg!) Wenn die Vorschriften das sagen, wird es dann wohl auch so sein und hey, man will das Zeug ja essen und nicht anschauen!?

Es geht um eine meist süß oder sauer schmeckende, leicht verformbare Masse, genauer gesagt, der oder das Kaugummi. (Den Artikel kann man sich übrigens aussuchen!) Möglich, dass einige Leser jetzt schon die Stirn runzeln, schließlich kennt doch jeder den allseits beliebten 5 GUM und der ist WEDER rund NOCH kunterbunt, sieht man mal von der unglaublich vielfarbigen Schachtel und Verpackung ab. Es geht um die Kaugummis der klassischen Sorte. Die, die unsere Eltern vor vielen, vielen Jahren käuflich im Intershop erworben hatten. Kleine, bunte runde Kugeln in Blisterverpackungen. Die Dinger gibt es immer noch und der ein oder andere wird sie vielleicht sogar einmal in einem Regal in den Supermärkten gesehen haben. Ob er sie dann gekauft hat, ist eine ganz andere Frage.

Aber wo kommen diese bunten Kaugummibälle her? Um das herauszufinden, haben wir uns an einem Freitagmorgen nach Bernburg bei Halle aufgemacht, um uns genauer anzuschauen, wie so ein Kaugummi hergestellt wird.
 
Zuckerschock
Sobald man auf dem Produktionsgelände von Wohlgemuth Süßwaren aus dem Auto steigt, bekommt man schon seinen ersten Zuckerschock, denn alles riecht süß, also so richtig süß, als bestünde die Luft nicht nur zum größten Teil aus Stickstoff und Sauerstoff, sondern zu mindestens 50% aus Zucker.

In der Fabrik in Bernburg werden alle möglichen Arten von Kaugummi hergestellt. 100 Tonnen im Monat, Kugeln von 1,6 bis 10 Gramm, über Früchte, erdnussförmige Kaugummis bis hin zu  Kaugummi-Möhren. Wer Langeweile hat, kann gern ausrechnen, wie viele Kaugummis der kleinsten Sorte man benötigt, um am Ende 100 Tonnen zu haben. (Meiner Meinung nach müssten es 62 500 000 kleine Kugeln sein. Viel Spaß beim Nachzählen ;D) „Fast“ alles ist möglich, was der Kunde wünscht. Kunden sind aber keinesfalls nur die deutschen Supermärkte.
Der Kaugummi wird in 27 Länder exportiert von Australien bis Paraguay. Für eine Lieferung nach Paraguay ist eine Menge Vorausplanung nötig. Alles wird nach dem Verschiffungstermin geplant, damit der Kaugummi rechtzeitig fertig verpackt in einem Container liegt und pünktlich im Hamburger Hafen ankommt.
Nur, was muss alles passieren, dass so ein hübscher Kaugummi ins Regal oder eben nach Paraguay kommt? Eine ganze Menge, um es ein wenig genauer zu sagen. Nicht genau genug? Ok… Hm. Also… Man  braucht Zucker. Richtig, richtig viel Zucker. Dazu noch Glukosesirup und Kaugummibase, Tutti-Frutti Aroma, „natürliches“ Aroma und natürlich noch ein „wenig“ Equipment. (Ob das Ganze Zuhause auch funktioniert,  kann ich nicht sagen, aber auf alle Fälle funktioniert es in der Bernburger Kaugummifabrik hervorragend). Stellen wir uns also unsere Zutaten vor. Der Zucker macht 70% aus. 15% der Glukosesirup und die Kaugummibase, welche extra aus Italien geordert wird, um unseren Kaugummi kaufähig zu machen, die natürlichen Farben, das Tutti-Frutti Aroma und eine Drageedecke (man stelle sich einfach eine Glasur für Kaugummis vor) sind der Rest der Zutaten aus.

Die Kaumasse, der Zucker und der Glukosesirup gelangen in unseren riesigen Kneter. Die Maschine ist riesig, laut und hat vorne eine Öffnung. Aus dieser kommt dann der Kaugummi heraus. Natürlich noch nicht so wie wir ihn als bunte Kugel kennen, sondern als riesiger noch warmer Batzen. Ein Extruder formt daraus einen Hohlstrang. Warum einen Hohlstrang? Man könnte doch auch einfach ein paar Leute, die  nichts Besseres zu tun haben, abkommandieren und sie Kugeln formen lassen, so wie im Kindergarten mit der allseits beliebten Knete!? Nun ja… So ein Kaugummi wäre dann hart. Man hört schon das spezifische Knacken, wenn man darauf beißt. Fragt sich dann nur, wie viele Zähne man noch im Mund hätte, wenn man auf einen nicht hohlen Kaugummi beißen würde. Damit wäre das wohl geklärt. Allerdings ist immer noch unklar, was mit dem langen Hohlstrang passiert. Dieser wird durch Formwalzen geschickt und dort kommen anschließend die fertigen Rohkugeln heraus. Sie sind noch ein wenig „babsch“, wie man das als Sachse wohl sagen würde, doch schmecken tun sie, wie eine fertige Kaugummi-Kugel.

Der nächste Schritt wäre eigentlich das Dragieren, sprich das Beschichten und gleichzeitige Einfärben der Rohkugeln. Aber davor müssen die Kugeln erst einmal mindestens 24 Stunden um zu trocknen. So eine „babsche“ Kugel hätte mit Sicherheit eine Menge Spaß dabei, sich in einer Dragiertrommel mit ihren anderen Kugelkollegen zu vereinen, also ab in eine Kiste und trocknen! Wer das Echtzeit-Kaugummimach-Feeling genießen möchte, darf jetzt gern 24 Stunden warten, bevor er HIER weiterliest, der Rest ist aufgefordert, sich einen Betonmischer ins Gedächtnis zu rufen. (Die Seite anschauen reicht auch.) Eigentlich ganz viele Betonmischer, in die ein Rohr rein führt, nur dass es keine Betonmischer sind, die für das einfärben bzw. dragieren der Kaugummis benötigt werden, sondern Dragiertrommeln. In    diese Trommeln werden die getrockneten Kaugummikugeln gegeben, natürlich per Handarbeit. (Also Kiste nehmen, rein schütten, nächste Kiste usw., ein wenig praktisch denken ist schon erlaubt.) Sind die Kugeln umgeladen, wird mit einer großen Kelle die Farbe darauf gegeben, die Trommel angeschaltet und dann fliegen die Kaugummis durcheinander und die Farbe verteilt sich auf allen. Am Ende haben die sie dann ihre bunte Farbe, nur glänzen sie noch nicht und das wirkliche Knacken beim Reinbeißen fehlt ebenfalls. Also noch einmal 24 Stunden trocknen. Diesmal wäre zu beachten, dass die Luftfeuchtigkeit unter 50% ist und der Raum, wo die bunten Kugeln untergebracht sind, eine Temperatur über 20°C haben muss.
Nach diesen 24 Stunden kann man die Kaugummis schließlich in ihren Endzustand versetzen, durch das Glänzen. Das passiert wieder in den inzwischen schon altbekannten
„Betonmischern“, fast genauso wie das Dragieren nur mit einer anderen Rezeptur. Dadurch werden die Kugeln auch gleichzeitig versiegelt. Das dient dazu zu verhindern, dass sie die Farbe
ihres Nachbarn annehmen oder zurück in ihren babschen Zustand fallen.

Wenn unsere Kugeln danach schön glänzen, geht es ab in die Verpackungsabteilung. Dort befindet sich einer der vielen vorhandenen Metalldektoren, womit die Kugeln „durchgescannt“ werden. Es könnte sich ja irgendwo ein Metallteilchen von einer Maschine  gelöst haben und sich in einem Kaugummi gemütlich gemacht haben. Wenn wir auf unserenZwischentests bei der Kaugummiproduktion so einen erwischt hätten, hätten wir nicht ein paar Zähne weniger, weil unsere Kugel nicht hohl war, nein, aus dem einfachen Grund, weil wir auf Metall gebissen hätten. Aber das ist eher  unrealistisch.
Deshalb zurück zur Verpackung. Dabei gibt es die verschiedensten Auswahlmöglichkeiten.
Von den bekannten Blisterverpackungen, Eimern mit riesigen Kaugummikugeln über Dosen bis hin zu Kaugummis eingewickelt wie Bonbons oder in Silberpapier verpackt wie Schoko-
lade. Haben wir uns für eine Form entschieden,  wird diese natürlich umgesetzt. Erst fertig verpackt, können die Kaugummis verladen und ausgeliefert werden.   Und irgendwann lacht er uns dann aus dem Regal entgegen, wandert in den Einkaufswagen und landet, nachdem er bezahlt wurde, in unserem Mund. Oder im Mund eines Australiers. Oder Engländers, oder Spaniers.

Nun, schmeckt der Kaugummi überhaupt? Hier der ultimative Geschmackstest einer Schulz-Redakteurin, die zugegebener Maßen lieber Schokoweihnachtsmänner verspeist als Kaugummi. Aber erstens gehört diese Information definitiv nicht in diesen Artikel und zweitens interessiert es niemanden. Also zurück zum Kaugummi. Wenn man darauf beißt, ist er ziemlich hart. Als würde man auf einen Stein beißen, der dann plötzlich in kleine Stücke zerfällt, da der Kaugummi ja innen hohl ist. Das Zeug ist süß, also so richtig, richtig süß. Man könnte wahrscheinlich auch puren Zucker und Marmelade essen, nur der Kaueffekt würde ausbleiben. Aber man gewöhnt sich daran und ich, finde mit der Zeit auch ganz lecker. Also weiter kauen. Aber nach etwa fünf Minuten intensiven durchkauens, kann man es nur noch als Kaumasse definieren, den süßen Geschmack hat es allerdings fast verloren. Es im Mund behalten kann man aber immer noch. Soll ja angeblich den Appetit stoppen und das bewegen der Kaumuskeln soll Kalorien verbrennen, was bei diesem „Zuckerbatzen“ vielleicht recht praktisch wäre, um den 70% Zucker entgegenzuwirken. Aber was macht man nicht alles für ein einzigartiges Geschmackserlebnis?

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